Der Stadtler: „Groß-Enzersdorf befindet sich inmitten einer dynamischen Region. Die Stadt wächst, die damit verbundenen Herausforderungen aber auch. Hat die Gemeindeverwaltung ihre Hausaufgaben gemacht?
GR Michael Rauscher: „Ich vergleiche die Groß-Gemeinde gerne mit einem Groß-Unternehmen. Wir haben rund 12.000 Einwohner, cirka 100 Gemeindebedienstete, 8 Katastralgemeinden, 7 Schulen, 5 Kindergärten, 8 Feuerwehren, diverse andere ,Blaulichtorganisationen‘ und öffentliche Institutionen, 3 Pfarren, viele Wirtschaftsbetriebe und Unternehmen, landwirtschaftliche Betriebe etc.Kurz – geballte Kraft und Leistungswillen sind in Groß-Enzersdorf heimisch. Aber – jetzt kommt das große ,Aber‘ –, wie schaut’s denn mit dem Stellenwert unserer Gemeinde in der Region aus? Da sind wir leider maximal als Schlafstadt von Wien bekannt. Ich glaube, da ist noch einiges möglich.“
Der Stadtler: „Sie wollen also Bedeutung und Image der Gemeinde verbessern.Wie schaut ihr Konzept aus?“ Rauscher: „Ein solches ,Unternehmen Groß-Enzersdorf‘ braucht Profis. Immerhin arbeiten wir in der Gemeindeverwaltung mit einem 20 Mio.€- Budget. Da ist es logisch, dass das Bürgermeisteramt als Fulltime- Job begriffen werden müsste und es nicht nur wirtschaftliches Denken, sondern auch Profiqualitäten in Verwaltung, Marketing und ,Verkauf‘ bedarf. Stattdessen arbeiten wir Gemeinderäte nebenberuflich mit Aufwandsentschädigungen. Gute Leute für die Kommunalpolitik zu bekommen, ist unter diesen Voraussetzungen wirklich schwierig.“
Der Stadtler: „Gute Mitarbeiter zu haben ist das eine, aber hat das Unternehmen ,Groß-Enzersdorf’ überhaupt einen Strategieplan, eine Zielfestlegung, eine Schwerpunktsetzung?“
Rauscher: „Ja, genau das ist das Kernproblem. Eine Gemeinde muss wissen, wo sie ihre Schwerpunkte in der Zielsetzung hat.Was nützen die besten Ideen und Ansätze,wenn man als Gemeinde immer ein Getriebener ist, ständig nur reagiert statt vorausschauend agieren zu können. Gute Ideen haben viele.Ausgereifte, mutige Konzepte und den Willen diese durchzuhalten und umzusetzen sind viel wichtiger! Ich möchte da nur zwei Beispiele bringen: Ich kenne keine andere Gemeinde dieser Größenordnung, die kein Verkehrskonzept hat. Weder für den ruhenden noch für den fließenden Verkehr, auch nicht für den Öffentlichen Personen-Nahverkehr Andererseits haben wir mit dem samstäglichen Frischemarkt am Hauptplatz wirklich eine tolle zusätzliche Einkaufsmöglichkeit. Groß-Enzersdorf braucht einfach gute Konzepte, um die Zukunft planen zu können.“
Der Stadtler: „Apropos Konzept. Der geplante Bau der S1 mit dem Lobautunnel unter der Donau wird ja zu großen Umwälzungen in Groß-Enzersdorf führen. Ist sich die Gemeindeverwaltung dessen bewusst?“
Rauscher: „Ganz ehrlich, ich befürchte nein. Und die S1 ist nicht die einzige Herausforderung. Da sind auch die sinnvolle Verwertung des Kasernengeländes – übrigens ein selten gewordener Topstandort im Herzen des Stadtls – , der Bau von Kinderbetreuungseinrichtungen, weiterführenden Schulen, Pflegeeinrichtungen, die 3. Piste des Flughafens Schwechat und die Sicherstellung unserer gewohnten Lebensqualität zu nennen. Haben die verantwortlichen Politiker darauf Antworten,Konzepte, Lösungen? Ich behaupte ,Nein‘. Jammern und Furcht vor Veränderung, Furcht vor der Zukunft bringt da gar nichts, ,anpacken‘ ist angesagt. Und da vermisse ich ganz konkret ein energisches und entscheidungsfreudiges Auftreten unseres Bürgermeisters. Er müsste jede Woche Lobbying für seine Gemeinde betreiben, sei es beim Land, sei es bei Unternehmen oder sei es bei anderen Organisationen. Hier wurde viel in der Vergangenheit versäumt, was kaum wieder gut zu machen ist. So wie beispielsweise Poysdorf als Weinstadt landauf landab bekannt ist, so könnte Groß-Enzersdorf als Gemüsestadt bekannt sein.Aber wie schaut die Wirklichkeit aus:Wir entwickeln uns zu einer Schlafstadt im Wiener Umland und das Land Niederösterreich rettet bereits zum zweiten Mal unseren größten Arbeitgeber in der Gemeinde, nämlich unser Tiefkühlwerk.“
Der Stadtler: „Wenn Sie entscheiden könnten, was würden Sie zuerst angehen?“
Rauscher: „Ich würde der betroffenen Bevölkerung mehr Informationen zukommen lassen und mehr in Entscheidungsabläufe einbinden. Furcht vor Veränderung kann man nur mit Informationen nehmen, Engagement für die Sache nur mit Emotionen hervorrufen.“
Der Stadtler: „Danke für das Gespräch!“
Stadtler Nr. 99
Klubobmann Michael Rauscher
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